Liebe zeitkritische Geister in kritischer Zeit.
Ich möchte Ihnen heute die Lektüre eines Briefes empfehlen, den ein katholischer Pfarrer aus dem Erzbistum Freiburg in der Zeitung „Die Tagespost“ veröffentlichen konnte. Dieser Pfarrer beschäftigt sich seit 30 Jahren ebenso kritisch wie sachlich mit der Theologie und Geschichte des Islam sowie mit der Biographie Mohammeds. Dass er immer wieder die diametralen Gegensätze zwischen Gott Allah und dem Gott des Neuen Testamentes „predigte“, brachte ihm selten Freunde unter den theologischen Schönfärbern und kirchlichen Dialogspezialisten.
In seinem Leserbrief zitiert er ausführlich die Rede des ägyptischen Staatspräsidenten Abdel al-Sisi. Dieser hatte in einer Rede an der für den sunnitischen Islam entscheidenden Al-Azar-Universität in Kairo von 600 Imamen und Theologiestudenten eine „religiöse Revolution“ gefordert. Die ganze Welt würde darauf warten. Es mag seltsam klingen, dass die Bundeskanzlerin nach Charlie Hebdo ähnliches sprach. Der Leserbrief weist darauf hin, dass sie die „Geistlichkeit des Islam“ aufforderte, der Frage nach der Gewalt im Islam nicht länger auszuweichen.
Völlig unabhängig von dem Leserbrief las ich in derselben Zeitung einen Artikel über ein Podiumsgespräch zwischen der früheren Bischöfin Professor Dr. Margot Käßmann und Kurienerzbischof Dr. Georg Gänswein. Neben vielen anderen Themen kam auch der Islam zur Sprache. Mich hat ihre sehr deutliche gemeinsame Aussage beeindruckt, dass der Gott der Bibel nicht der des Islam sei. Christen und Muslime könnten nicht gemeinsam beten, da die Gottesvorstellungen unvereinbar seien.
Wenn ich bezüglich der verschiedenen Gottesbilder nun auf den Islamischen Staat zu sprechen komme, scheint dies zunächst weit hergeholt. Ich möchte jedoch eine konkrete Frage zur Diskussion stellen, ob deren blutige Taten nicht letztlich ihre Rechtfertigung beim Gott des Koran finden, während selbst der fundamentalistischste christliche Fundamentalist beim Gott, den Jesus verkündet, vergeblich danach sucht. Die theologisch gebildeten Mitglieder des IS können sich dagegen auf Allahs Auftrag in Sure 5,33 berufen, wenn sie kämpferische Gegner und Unruhestifter kreuzigen. Im Internet waren die furchtbaren Bilder zu sehen. Der Kalif Abu-Bakr al-Bagdadi ist übrigens nicht nur Magister (M.A.) sondern auch promovierter Islamtheologe. Seine erste Rede als Kalif entspricht im wesentlichen klassischer Islamtheologie.
Ich möchte nun den Kalifen nicht rechtfertigen. Doch weise ich ausdrücklich darauf hin, dass auch die schiitischen Groß-Ayatollahs und Universitätstheologen des islamisch-demokratischen Staates Iran den Auftrag Allahs in der genannten Offenbarung sogar in das aktuelle Strafgesetzbuch aufgenommen haben (siehe Google: Iran IGFM Kreuzigung)! Dort ist neben dem Auspeitschen und der Steinigung auch die Kreuzigung als Strafe möglich. Es ist dabei unerheblich, ob der IS oder der Iran mehr Opfer ans Kreuz heftet und welche Anklagepunkte jeweils vorliegen.
Fazit: Es ist gleichgültig ob die sogenannten Terrormilizen des Islamischen Staates Christen an ein Kreuz heften, oder ob die Theologen und Strafrechtler im Iran das Kreuzigen in ihrem Strafrecht haben. Beide können sich auf Allahs Auftrag in Sure 5,33 berufen.
Jeder Vergleich mit dem Christentum mag hinken. Doch war Jesus in den Augen der Römer ein „selbsternannter König der Juden“ und daher ein gefährlicher Unruhestifter, für den nach römischem Recht die Kreuzigung als Strafe angewandt wurde. Für den gläubigen Christen dagegen ist der Tod Jesu am Kreuz ein ebenso grausames wie hoffnungsvolles Zeichen unserer Erlösung. Karfreitag und Ostern bilden im christlichen Glauben eine Einheit.
Mit nachdenklichem Gruß
Wilfried Puhl-Schmidt